Wie Leisnig um den Bahnhof gekämpft hat
Vor 150 Jahren wurde der Streckenabschnitt bis Leisnig eingeweiht. Zunächst sollten die Züge in Fischendorf halten. Das gefiel den Räten gar nicht.
Leisnig. Wenn heute ein Dampfzug in Leisnig auf dem Bahnhof hält, dann ist das schon wieder etwas Besonderes. Vor genau 150 Jahren war es das auch. Am 27. Oktober 1867 wurde der Abschnitt Grimma – Leisnig als Teil der Eisenbahnstrecke Borsdorf – Coswig eröffnet. Bürgermeister Tobias Goth (CDU) wies in der vergangenen Ratssitzung auf diesen Jahrestag hin. Und er konnte sogar den derzeitigen Eigentümer des Bahnhofsgebäudes überzeugen, sich mit einer Aktion zu beteiligen.
So ein Tamtam wie vor 150 Jahren gibt es natürlich nicht. An diesem Tag schien die halbe Stadt auf den Beinen gewesen zu sein. Außerdem feierten damals auch unzählige Gäste mit. Chronist Max Grimmer berichtete vom Eröffnungszug sowie drei weiteren, von Passagieren überfüllten Zügen, die an jenem herrlichen Oktobertag in Leisnig eintrafen. Empfangen wurden die Festgäste von Einwohnern, Chören, Handwerkern, Lehrern, Geistlichen und Stadträten. Die Leisniger waren es, die um den Bahnhof auf ihrem Territorium kämpften. Nach früheren Plänen sollte der Bahnhof in Fischendorf errichtet werden. Doch das verhinderten die Leisniger, indem sie das gesamte Gelände, das für die Bahnhofsanlage benötigt wurde, kostenlos zur Verfügung stellten. Das hat eine Autorengemeinschaft recherchiert und im Buch „Die Hauptbahn Borsdorf – Coswig" veröffentlicht. Auch die Kosten für den Bau der Zufahrtsstraßen kamen damals aus der Stadtkasse. Um Baufreiheit zu schaffen, wurde unter anderem die Obermühle abgerissen.
Aus zweierlei Gründen haben sich die Leisniger vor so langer Zeit um einen Bahnanschluss bemüht. Zum einen sollte Getreide schnell dorthin befördert werden, wo die Abnehmer saßen. Die Muldestadt besaß seinerzeit den größten Getreidemarkt Sachsens. Zum anderen war mit dem Anschluss ans Eisenbahnnetz die Hoffnung auf einen regionalen Aufschwung verbunden. „Brücken wurden verbreitert, es entstand das Kurhotel Bad Mildenstein", zählte der Bürgermeister als Beispiele auf.
Andreas Riethig, ehemaliger Eisenbahner und Heimatfreund, findet, dass außer dem 27. Oktober 1867 noch ein weiteres Datum wichtig ist: der 2. Juni 1868. Ab diesem Tag konnte die Strecke weiter bis Döbeln Hauptbahnhof befahren werden. Noch im gleichen Jahr konnten Reisende über Nossen und letztlich bis Meißen fahren. Inzwischen ist die Strecke sozusagen rückabgewickelt. Zwischen Meißen, Nossen und Döbeln verkehren nur noch Busse. Wie es mit den weiteren Abschnitten aussieht, ist offen – zumindest bis Grimma. Ab dort bis Leipzig haben Zählungen eine große Nutzerzahl bescheinigt. Zwischen Grimma bis Döbeln steigen immer mehr Passagiere aus, sodass die heutigen Räte schon mehrfach um den Bestand der Eisenbahnanbindung gebangt haben. Wie lange Leisnig noch einen Bahnanschluss hat, „das hängt von den handelnden Politikern ab", findet der Nossener Autor und Streckenkenner Peter Wunderwald, selbst Mitglied bei den Bündnisgrünen. Bahnfahren müsse attraktiv bleiben – oder wieder werden. „Aus Baden-Württemberg gibt es Beispiele für eine Reaktivierung von Bahnstrecken", sagt er. Wunderwald und andere Bahnenthusiasten wünschen sich das etwa für die Strecke Döbeln-Meißen.
Erwin Feurer hat einen anderen Wunsch. Er hat vor ein paar Jahren das Bahnhofsgebäude in Leisnig gekauft, wollte es mit Helfern in Ordnung bringen und für verschiedene Nutzungen (Kunst, Begegnung, gewerbliche Nutzung) zur Verfügung stellen. Dafür hat er zu wenige Mitstreiter gefunden. Feurer will das früher imposante Gebäude wieder verkaufen. Anlässlich des Streckengeburtstages bietet er am Freitag, 27. Oktober, um 13 Uhr eine Führung durch das Haus an.