Dienstag, 23. November 2010

Der Untergang des Abendlandes.

Oswald Arnold Gottfried Spengler (1880 - 1936) in "Der Untergang des Abendlandes" Band I, sechstes Kapitel, Faustische und Apollinische Naturerkenntnis:

"Zuvor aber erwächst dem faustischen, eminent historischen Geist eine noch nie gestellte, noch nie als möglich geahnte Aufgabe. Es wird noch eine Morphologie der exakten Wissenschaften geschrieben werden, die untersucht, wie alle Gesetze, Begriffe und Theorien als Formen innerlich zusammenhängen und was sie als solche im Lebenslauf der faustischen Kultur bedeuten. (...)

Wir werden untersuchen, woher diese dem faustischen Geiste vorbestimmten Formen kommen, warum sie uns Menschen einer einzelnen Kultur im Unterschiede zu jeder anderen kommen mussten, welcher tiefere Sinn darin liegt, dass die gewonnenen Zahlen gerade in dieser bildhaften Verkleidung in Erscheinung traten. (...)

Die einzelnen Wissenschaften, Erkenntnistheorie, Physik, Chemie, Mathematik, Astronomie, nähern sich einander mit wachsender Geschwindigkeit. Wir gehen einer vollkommenen Identität der Ergebnisse und damit einer Verschmelzung der Formenwelten entgegen, die einerseits ein auf wenige Grundformeln zurückgeführtes System von Zahlen funktionaler Natur darstellt, andererseits als deren Benennung eine kleine Gruppe von Theorien bringt, die endlich als verschleierter Mythos der Frühzeit wiedererkannt und ebenfalls auf einige bildhafte Grundzüge, aber von physiognomischer Bedeutung zurückgeführt werden können und müssen. Man hat diese Konvergenz nicht bemerkt, weil seit Kant und eigentlich schon seit Leibniz kein Gelehrter mehr die Problematik aller exakten Wissenschaften beherrschte."

Dazu Peter Plichta in "Das Primzahlkreuz", 6. Buch, S. 411:

"Spengler hat zynisch bemerkt, dass in Kants "Kritik der reinen Vernunft" dem Wort Schicksal keine Bedeutung zukommt, weil der Katheterphilosoph den Begriff "Zeit" rein physikalisch behandelt. Spengler war wie ich autodidaktischer Historiker, aber den Fachkollegen dadurch ein Dorn im Auge, dass er die Gegenwart mit in die Historie einbezog. Seine einzigartige Hellsicht führt ihn zu der Erkenntnis: "Es wird noch eine Morphologie der exakten Wissenschaften geschrieben werden (...)." Sie ist geschrieben.

Spengler hat Plato, Goethe und Nietzsche verehrt und Darwinismus und Materialisten verachtet. Physiker, die das Geheimnis der Materie durch Aufeinanderschiessen hochenergetischer Teilchen ergründen, durch immer grössere astrophysikalische Messapparaturen das Unbegreifliche in Wissen umwandeln wollen, oder Molekularbiologen, die in Bauplänen herumpfuschen, hätte er als Triebtäter bezeichnet, als solche, die genausogut Bücher verbrennen, Kunstwerke schänden oder Wehrlose quälen könnten. Ich muss ihn nach einem lebenslangen Beobachten, Lesen, Nachdenken und Erforschen als einen Vorläufer betrachten.

Das heutige, kapitalistisch - materialistische, atheistische Abendland wird in dieser Form untergehen. (...)

Wir müssen das ganze System, wie Forschung betrieben wird, in Frage stellen."